Ziele erreichen, statt Ziele verschieben: Wie aus einem Coaching-Verweigerer ein Mann wurde, der seinen Traum lebt
Ziele, die in unseren Köpfen bleiben, sind Träume von denen wir uns selbst erzählen, dass sie irgendwann – aber in jedem Fall zu einem anderen Zeitpunkt als jetzt gerade – in die Tat umgesetzt werden. Damit verschieben wir sie auf unbestimmte Zeit. Und ihre Erreichung wird immer unwahrscheinlicher.
Als mich ein ehemaliger Klient anrief, um mich zu fragen, ob er mir einen seiner besten Vertriebler schicken dürfe, ging es ihm darum, seinem Angestellten endlich mal wieder einen Motivationsschub zu verpassen und in sein eigentliches Potenzial zurück zu holen. In den vergangenen Monaten waren seine Zahlen nicht besonders gut gewesen. Der junge Vertriebsleiter wirkte irgendwie antriebsloser, der Spaß, mit dem er sonst die Marke nach vorne gebracht hatte, schien einfach verschwunden zu sein.
Mehr wusste ich nicht, als er zum ersten Mal zu mir kam. Auch nicht, was für eine gemeinsame Reise uns erwartete.
Er kam rein und wirkte wie ein Schuljunge, den sein Lehrer wegen einer Aufmüpfigkeit zur Schuldirektorin geschickt hatte. Irgendwas zwischen genervt und aufgeregt – aber nicht im positiven Sinn. Spitzenvoraussetzung für einen Motivationsschub.
In solchen Fällen ist die Hauptaufgabe von mir als Coach erst einmal, den Menschen der da vor mir sitzt soweit zu öffnen, dass irgendeine Veränderung überhaupt möglich ist. Das war in diesem Fall schon deshalb schwierig, weil er mich eben eher als eine Art Bestrafung seines Chefs wahrnahm, als als Hilfe, oder Wertschätzungsgeste.
Die erste Stunde unserer ersten Sitzung verbrachten wir damit, dass er sich vor mir versteckte und ich versuchte, ihn mit meinen Fragen einzufangen. Das war ausgesprochen mühsam. Es gibt das: dass Menschen zu einer Veränderung oder Entwicklung nicht bereit sind. Und dann sollte niemand sie zwingen – dazu ist unser aller Zeit viel zu wertvoll. Irgendwann sagte ich das dann auch genau so: „Lassen Sie uns das hier abbrechen, lieber Herr P., ich habe das Gefühl, Sie möchten hier eigentlich gar nicht sitzen.“ In genau diesem Moment lichtete sich etwas in seinem Gesicht und er sah mich überrascht an. Und dann fing er an zu sprechen und zwar weit über das eigentlich Ende unserer ersten Coaching-Sitzung hinaus.
Er erzählte, dass er seinen Job mochte und die Marke und die Unternehmung und den Inhaber. Und dass er dort eigentlich gerne arbeitete. Aber dass ein Ereignis vor einem halben Jahr in deutlich aus der eingefahren Spur gehauen hätte. Einer seiner besten Freunde hatte einen Motorradunfall gehabt und hatte so schwere Hirnschädigungen, dass er zum Pflegefall geworden war. In meinem Klienten hatte dieses furchtbare Ereignis zu den großen Sinnfragen geführt. Koste ich eigentlich mein Leben voll aus? Mache ich das, was ich immer machen wollte? Was ist aus meiner Vision für mich selbst geworden?
Seit ich angefangen habe, als Coach zu arbeiten, hat mich das immer am aller meisten berührt: Menschen zu helfen, ihre eigene Vision von sich in die Realität zu holen. Und sie zu befähigen, sie auch umsetzen zu können.
Mein Klient war ein großartiger Verkäufer gewesen, bis genau zu dem Punkt, an dem er sich daran erinnert hatte, was eigentlich mal in ihm gewesen war: er hatte immer Menschen in aller größter Not helfen wollen. Er wollte Rettungssanitäter werden. Dann bekam er schon im Abi einen Nebenjob im Vertrieb einer anderen Firma. Verdiente schnell viel Geld, fand ein dickes Auto dann auch irgendwie schicker als Schichtdienste und schlechte Bezahlung. Studierte BWL und machte Karriere. Immer wenn ihn seine alte Vision vom Rettungssanitätersein zwischendurch angesprungen hatte, war er ausgewichen und hatte gedacht: das kann ich doch später noch machen. Wenn ich erstmal ein ordentliches finanzielles Fundament habe. Wenn ich erstmal das Haus abbezahlt habe. Wir alle kennen das.
Jetzt, nach dem Unfall seines Freundes, krallte sich aber die eigene Ursprungsvision fest und ließ sich nicht mehr abschütteln. Die großen Sinnfragen flogen ihm um die Ohren und nach hinten schieben war Unfug: er war Mitte 30 und der Moment war genau JETZT.
Um es kurz zu machen: wir haben uns sein Ziel angesehen. Und es aufgestellt. Wir haben erarbeitet, was er braucht, um es umsetzen zu können. Wir haben aufgezeichnet, was gegen seine Rettungssanitäter-Vision steht.
Was soll ich sagen: mein Klient hat vor ein paar Wochen sein klinisches Praktikum abgeschlossen. Er hat mit seinem Chef einen Deal gefunden, 8 Stunden pro Woche dem Unternehmen beratend zur Verfügung zu stehen (und wir haben gemeinsam einen tollen Nachfolger gefunden). So fängt er den krassen finanziellen Einschnitt auf und bleibt verbunden.
Er hat weniger Zeit, er hat weniger Geld. An den heftigen Schlafrhythmus hat er sich noch überhaupt nicht gewöhnt. Und: er strahlt. Und zwar von ganz tief unten. Dieses Strahlen, das da ist, wenn man tut, was man liebt. Und wenn das große Ziel zur Lebensrealität wird.
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