Hört auf zu kämpfen!

Hört auf zu kämpfen! Warum der Kampfmodus nicht nur einsam, sondern auch unseren Erfolg verhindert – und wie wir ihn loslassen können.

Ihm stand der Kamm bis zum Himmel und seine Halsschlagader hatte gefühlt die Größe einer Blindschleiche. Eigentlich wollte ich mit meinem jungen Klienten und seinem schlagkräftigen Team einen für seine Agentur wichtigen Pitch vorbereiten. Das Storytelling bürsten, die wichtigsten Aussagen rausholen, Freude in die Präsentation bringen. Aber schon beim Betreten des super gestylten Konferenzraumes: Kampfstimmung.

Mein Klient hatte den Eindruck, seine Inhalte würden nicht genug gewürdigt, es würde nicht geschätzt, wie viel Arbeit er in die Präsentation gelegt, wie sauber er alles durchchoreographiert hatte. Egal, was sein Geschäftsführer anmerkte, die Blindschleiche unterm Hemdkragen wuchs, die Gesichtshaut färbte sich Richtung Telekom-Magenta, die Stimmung: schneidend.

Halten wir mal das Bild in dieser Agentur-Situation kurz an und übertragen es auf jedwede Situation, in der wir uns selbst in den Kampfmodus versetzen – ganz egal, ob die aufstrebende C-Level-Frau, mit der ich arbeite, gegen die verkrusteten Strukturen einer gestrigen Männer-Domäne ankämpft, eine meiner liebsten Freundinnen gegen den Starrsinn ihres Mannes, meine pubertierende Tochter gegen meinen pubertierenden Sohn:

Was passiert, wenn wir innerlich im Kriegsszenario sind? Wir feuern aus dem Stammhirn und schneiden uns ganz viele wesentliche andere Regionen in unseren Köpfchen damit schlicht ab. Im Stammhirn haben wir nur drei mögliche Notfallprogramme: Flucht, Erstarrung oder eben Kampf. Wenn wir in einem dieser Programme unterwegs sind, ist blöder Weise der Rest unserer innerhirnlichen Vielfalt für uns nicht mehr recht zugänglich. Und das macht uns sozusagen Kampfesblind.

Was heißt das, wenn wir zu meinem Klienten mit der beeindruckenden Halsschlagader zurückkommen? Das heißt: er kann den Pitch gar nicht rocken, wenn er im Kampfmodus ist! Es geht nicht, weil er an das, was seinen potenziellen Kunden überzeugen könnte, nämlich an seine Schlagfertigkeit, seine Empathie, die Kreativität, auf spontane Fragen gut einzugehen, nicht mehr, oder nur sehr eingeschränkt herankommt. Die schöne CMO wird im Soldatenkostüm nichts verändern, sondern nur für zickig erklärt, meine Freundin wird unglücklicher in ihrer Beziehung, meine Tochter wird sich bis zur völligen Erschöpfung an meinem Sohn abarbeiten.

Alles: nicht sinnvoll. Nicht nötig.

Was können wir tun, wenn wir merken, dass wir uns im Stammhirn-Notfallprogramm festgehakt haben (was schon ganz toll ist, denn viele Kämpfer merken das gar nicht mehr)?

Bei meinem jungen Klienten hat das Folgende geholfen:

Ich habe ihn kurz raus gebeten aus der Situation. Ich habe ihn aufgefordert, tief zu atmen. Zu überprüfen, welches Gefühl ihn gerade peitscht (es war Wut – einleuchtender Weise). NICHT zu ergründen, woher dieses Gefühl gerade kommt. Sondern sich in dieser akuten Situation nur zu fragen, was ihm hilft, es gerade jetzt loszulassen.

Nur diese drei Schritte:

  1. Raus aus der akuten Situation (wenn auch nur ganz kurz)
  2. Überprüfen, welches Gefühl gerade treibt
  3. Fragen: was hilft mir, dieses Gefühl loszulassen

Bei meinem aufgebrachten Klienten war es so, dass er schon nach ein paar Momenten, als die Halsschlagader abgeschwollen und die Gesichtsfarbe sich normalisiert hatte, sagen konnte: Mir würde helfen, die Wut loszulassen, wenn Du mit mir gemeinsam mit meinem Geschäftsführer sprichst. Ich möchte nur, dass er versteht, wie viel ich reingesteckt habe, in die Präsentation.

Das haben wir gemacht. Der Geschäftsführer hat großartig reagiert und konnte auf einmal loben und wertschätzen. Ganz langsam, aber merklich, bewegte sich danach die (Wut-)Kuh vom Eis, die Stimmung wurde heller.

Und hey: das Team hat den Pitch gerockt - sie hatten Spaß miteinander - sie wollten es - sie haben es gerissen.

Merken wir uns: Wir kommen in unsere Kraft, wenn wir kurz innehalten und das Programm überprüfen, aus dem wir feuern.

Und wenn wir ehrlich sind: es gibt doch genug Kampf auf der Welt. Holen wir uns doch, so oft es eben geht, raus aus den selbstgemachten Kriegsszenarien. Und machen wir uns und unsere Welt immer ein Stückchen friedlicher. Wir können das; für unseren Erfolg und für unsere Seelen!

Eure
Petra Neftel


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